Wie David Bowie Johann Sebastian Bach inspirierte

In einer Meisterklasse aufgenommen zu sein, bedeutet zwar, man gehört jetzt in eine bestimmte Liga auf dem Weg zum Profi. Was ich erwartet hatte, war vor allem hartes Training. Was ich nicht erwartet hatte, war ein freistehendes Haus für mich allein mit einem neuen Konzertflügel. Und das verbarg ein weiteres Juwel, nämlich eine Plattensammlung, in der ich sämtliche Aufnahmen meines musikalischen Idols jenseits der Klassik fand: David Bowie. Oft wurde es ein Übetag mit 12 Stunden netto, aber ich freute mich schon während dieses gefühlten Halbmarathons auf den Abend, wenn ich zur Belohnung David Bowie Songs in voller Lautstärke aufdrehen konnte. Dieses tägliche Ritual wurde meine Inspiration. Allerdings konnte ich mir damals kaum vorstellen, ausgerechnet mit Bowie’s Musik auf die Bühne zurückzukehren. Aber genau so sollte es kommen. Backstage stand ich eines Abends Bowie’s Lifetime Pianisten Mike Garson gegenüber und erklärte ihm, dass das Werk seines ehemaligen Bandleaders für mich immer gleichwertig zur Klassik existierte. Seitdem erweitere ich stetig mein Repertoire um dessen fabelhafte Arrangements, aber auch um Werke, die im Umfeld von Bowie zuhause sind wie Sakamoto oder Piazzolla. Mir ist dabei die musikalische Qualität wichtig, nicht das Genre. Weltweit bleibt David Bowie bis heute als gesellschaftlicher Botschafter präsent: Immer auf der Suche bleiben, Fähigkeiten weiter entwickeln, nicht in die Komfortzone rutschen und soziale Verbundenheit und Inspiration schaffen. Exakt dort sehe ich auch die Schnittmenge zu den großen Meistern der Klassik und wage den Schritt, zwei meist als völlig unvereinbar geltende Musikrichtungen in einem Konzertprogramm zu vereinen. Meine ersten Konzerte mit diesem Konzept haben bewiesen, dass beide sich im Konzertsaal gegenseitig bereichern können. Manche Zuhörer der Kickoff Konzerte waren übrigens zum ersten Mal in einem klassischen Konzert und kamen allein wegen des Namens Bowie im Programm. Was letztendlich bei solchen Innovationen zählt, ist die pianistische und künstlerische Fähigkeit, beide Welten verständlich und mit gleicher Begeisterung für die inhaltliche Botschaft in Klang umzusetzen. Mit der feinen Klinge geschliffen habe ich diese Fähigkeiten bei den Besten ihres Fachs mit bis heute andauernder Bühnenpräsenz gelernt: allen voran Homero Francesch und Sontraud Speidel. Beide unterstützen auch nachdrücklich meine Rückkehr auf die Bühne und ins Studio und deren Urteil kann ich selbst und damit mein Publikum hundertprozentig vertrauen. Meine langjährige Präsenz im Veranstaltungsbetrieb haben parallel zur pianistischen Ausbildung meine Fähigkeiten erweitert und ließen mich Strategien erlernen, die ich jetzt anwenden kann. Die Vorteile dieser Ausflüge in die logistischen Anforderungen an aktive Musiker auf meine ureigene künstlerische Tätigkeit waren, dass ich frühzeitig wertvolles Wissen von arrivierten Künstlern und Managern bekommen habe. Diese Erfahrungen haben mich jetzt meinen Platz als Pianistin und Mensch finden lassen.